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Wavewinder – Das ist die perfekte Welle

24.09.2021

Die Höhle der Patente

In Staffel 9, Folge 11, der TV-Show „Die Höhle der Löwen" präsentiert ein selbständiger Friseurmeister ein Produkt für Dauerwellen namens „Wavewinder": Ein Plastikformteil, das herkömmliche Lockenwickler und -stäbe ersetzen soll.

Für den Wavewinder wurde ein Patent erteilt. Dieses kann exemplarisch für ein Patent mit relativ stark eingeschränktem Schutzbereich gesehen werden. Im Falle von Nachahmungen (sogenannte Fakes) kann ein geringer Schutzbereich eine rechtliche Verfolgung erschweren.

Im Folgenden wird erläutert, wieso der Schutzbereich im Prüfungsverfahren eingeschränkt wurde und welche Optionen es beim Ausarbeiten der Patentanmeldung gegeben hätte, um gegebenenfalls einen größeren Schutzbereich zu erzielen. Denn der Wert eines Patents wird wesentlich durch dessen Schutzbereich, der durch die Ansprüche definiert ist, bestimmt.

Das Produkt: Der Wavewinder.
Worum geht es?

Der Wavewinder besteht aus einem Basisformteil, in das Haare schlangenförmig hineinlegbar sind. Durch ein komplementäres Formteil wird der nötige Druck erzeugt, um die Haare in der Schlangenform zu halten. Für unterschiedliche Haarlängen können an den Stirnseiten weitere Formteile angebracht werden.

Die Patentanmeldung (Az.: 10 2014 101 217.8)

Ursprünglich wurde versucht, das Produkt Wavewinder als eine Haarformvorrichtung in einer Patentanmeldung zu schützen. Anspruch 1, welcher grundsätzlich den Schutzbereich für das Produkt bestimmt, definiert (siehe nachstehendes Bild der Fig. 1 und 3; die Zahlen in Klammern dienen zur Veranschaulichung):

Haarformvorrichtung (1), aufweisend eine Unterplatte (2, 21) und eine Oberplatte (3, 31), wobei die Oberplatte (3, 31) und die Unterplatte (2, 21) derart konfiguriert sind, dass die Oberplatte (3, 31) und die Unterplatte (2, 21) zwischen sich einen Formspalt (4, 41) ausbilden, der zum Formen darin befindlicher Haare ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Formspalt (4, 41) derart doppelt wellenförmig ausgebildet ist, dass sich der Formspalt (4, 41) entlang zweier sich überlagernder und um 90° zueinander versetzten Wellen (5, 6) erstreckt.

Prüfungsverfahren

Im Prüfungsverfahren vor dem DPMA zitiert der Prüfer das Dokument D1 (WO 2008 / 054 090 A1) als neuheitsschädlich für den Inhalt des Anspruchs 1.

Info: Neuheit ist eine der Voraussetzungen, um eine Patenerteilung zu erreichen. Ein Anspruch ist neu, wenn er sich strukturell oder funktionell von dem Stand der Technik unterscheidet. Dazu werden die Merkmale des Anspruchs in erster Linie mit dem Inhalt von Dokumenten verglichen, die vor dem Anmeldedatum (oder Prioritätsdatum) der Anmeldung veröffentlicht wurden. Aber auch öffentliche Vorbenutzungen oder Zurschaustellungen können relevant für die Neuheitsprüfung sein.

D1 beinhaltet ein Haarstylinggerät der folgenden Art:

Die oben abgebildeten Figuren aus D1 zeigen ein Haarstylinggerät, das aktiv bewegt werden muss, um das Haar entsprechend zu formen. Das Produkt Wavewinder ist dagegen passiv.

Info: Bei Patentanmeldungen werden nicht die Produkte als Ganzes miteinander verglichen, sondern es wird der Wortlaut der Ansprüche (die Wortzusammensetzung aller Wörter in einem Anspruch) mit dem Stand der Technik (hier: D1) verglichen.

Wie oben zu erkennen, offenbart D1 ebenso eine Haarformvorrichtung (10) mit Unterplatte (13a) und Oberplatte (13), die zwischen sich einen Formspalt (M) ausbilden, der doppelt wellenförmig ausgebildet ist, so dass sich der Formspalt (M) entlang zweier sich überlagernder und um 90° zueinander versetzter Wellen erstreckt (14, 15a).

Somit ist Anspruch 1 nicht neu gegenüber D1. Allerdings lassen sich aus den Figuren in D1 Schlüsse ziehen, wie ein Anspruch formuliert werden könnte, um sich zumindest neu von D1 abzugrenzen.

Im Prüfungsverfahren hat sich der Anmelder dazu entschieden, Anspruch 1 durch das Einfügen von Merkmalen aus der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 10 und 12 einzuschränken. Diese besagen:

„dass die Haarformvorrichtung [...] modulartig ausgebildet ist und [...] ein Mittelstück aufweist, dass zur Verbindung mit weiteren Teilen der Haarformvorrichtung konfiguriert ist, und
dass am vorderen/hinteren Ende des Mittelstücks mindestens ein Endstück angebracht ist, wobei das Mittelstück mit dem Endstück über eine Nutfederverbindung verbunden ist."

Hierdurch wird der modulartige Zusammenbau des Wavewinders herausgestellt. Da D1 keine zusammengesetzten Formteile betrifft, wird durch den neu formulierten Wortlaut des Anspruchs 1 eine Haarformvorrichtung definiert, die von dem Haarstylinggerät aus D1 verschieden ist.

Im Prüfungsverfahren wurde weiterer Stand der Technik zitiert, dessen Relevanz untergeordneter Art ist. Ganz allgemein basiert der Stand der Technik darauf, Haarformvorrichtungen bereitzustellen, die längs zur Erstreckung der Haare gezogen werden sollen. Dagegen definiert der geänderte Anspruch 1 eine modulartige Form der Haarformvorrichtung mit entsprechendem Endstück, wodurch das Haar über die Länge in die Haarformvorrichtung eingelegt werden kann.

Basierend auf dem geänderten Anspruch 1 wurde in der Folge ein Patent (DE 10 2014 101 217 B4) erteilt.

Anregungen für eine
bessere Schutzbereichsgestaltung

Wie einleitend erläutert, ist der Anspruch 1 entscheidend für die Bestimmung des Schutzbereichs. Im Prüfungsverfahren kann der Wortlaut der Ansprüche nicht beliebig geändert werden. Der Anmelder ist vielmehr daran gebunden, was ursprünglich in den Anmeldungsunterlagen offenbart ist.

In Verfahren vor dem Europäischen Patentamt gilt dabei der Grundsatz, dass möglichst wortwörtliche Textstellen verwendet werden sollten, um die Erfindung vom Stand der Technik abzugrenzen. Merkmale, die zwar in den Figuren der Anmeldungsunterlagen schematisch dargestellt, aber nicht im Anmeldetext beschrieben sind, können im Zweifel nicht als Offenbarungsgrundlage für eine spezifische Wortlautänderung der Ansprüche verwendet werden.

Info: Eine Verletzung, also ein Produkt, dass die Merkmale des oben definierten Anspruchs 1 verwirklicht, durch einen Wettbewerber auf dem Markt liegt nur vor, wenn das Mittelstück (7) und das Endstück (14, 15) verbunden sind, und zwar über eine Nutfederverbindung. Sollten Mittelstück und Endstücke lose verkauft werden, fällt ein solcher Verkauf nicht in den Schutzbereich des Anspruchs 1, zumindest nicht wortsinngemäß. Eine unmittelbare Verletzung würde dann nicht vorliegen. Eine mittelbare Verletzung wäre allerdings möglich.

Entscheidend bei der Verfolgung von Patentanmeldungen ist die zugrundeliegende Strategie. So muss der Fokus bei der Erstellung und Aufbereitung der Unterlagen liegen, um den bestmöglichen Schutz der Erfindung zu erzielen. Dies beinhaltet das Schreiben der Patentanmeldung vor dem Einreichen derselben und das Ändern der Ansprüche während des Prüfungsverfahrens.

Info: Im Anmeldetext sollten möglichst viele vorausschauend überlegte Abgrenzungsmerkmale enthalten sein, die später im Verfahren als Abgrenzung zum Stand der Technik herangezogen werden können.

Beispiele für Abgrenzungsmerkmale des Wavewinder wären:

• Inaktive (passive) Haarformvorrichtung;
• Vergrößerter Wellenbogenradius (>1cm);
• Einzelbaustück – Segmente;
• Verbindungselemente – Array;
• größere Breite des Formspalts (>1cm);
• im 3D Druck hergestellt; oder
• einstückig hergestellt.

Diese Beispiel-Merkmale wären gegenüber dem zitierten Stand der Technik grundsätzlich geeignet einen weniger eingeschränkten Schutzbereich zu ergeben als die schlussendlich in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale der Ansprüche 10 und 12.

Fazit

Der Erfolg einer Patentanmeldung liegt in der Schutzgestaltung, wenn potenziell zukünftige Nachahmer rechtlich verfolgt werden sollen. Beim Ausarbeiten der Patentanmeldung muss der Schutzbereich durch die Formulierung eines breiten Hauptanspruchs möglichst groß festgelegt und im Prüfungsverfahren dann je nach Stand der Technik geeignet (Stichwort: vorhersehbar) beschränkt werden.

Im Fallbeispiel Wavewinder wurde der Schutzbereich in der Patentanmeldung auf den modulartigen Aufbau beschränkt.

Mit Aufnahme anderer erfindungswesentlicher Merkmale beim Schreiben der Anmeldung, wie etwa die Passivität der Vorrichtung oder der vergrößerte Wellenbogenradius, hätte ggf. ein größerer Schutzbereich im Prüfungsverfahren erzielt werden können.

Daher ist der intensive Dialog eines erfahrenen Patentanwalts mit dem Erfinder für die Erstellung und Aufbereitung von aussichtsreichen Anmeldungsunterlagen unerlässlich, um bereits im Vorfeld mögliche Abgrenzungsmerkmale und einfache Umgehungslösungen abzuklären.

Disclaimer: Der vorstehende Beitrag spiegelt die persönliche Auffassung des Autors wider. Die im Beitrag vorgenommen Einschätzungen und Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar und werden unter Ausschluss jeglicher Haftung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie eine patentrechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, so wenden Sie sich gerne an den Autor und/oder die Kanzlei KUHNEN & WACKER.

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