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Panthergrip – Absolut rutschfester Schienbeinschoner

22.03.2022

Die Höhle der Patente

In Staffel 7, Folge 6, der TV-Show „Die Höhle der Löwen" präsentiert ein selbständiger Entwickler einen Schienbeinschoner namens „PANTHERGRIP", der schnelleres Anlegen und höheren Tragekomfort bietet.

Der PANTHERGRIP ist ein Formteil, das tausende Mikrozähne hat, die in den Fußballstutzen eingreifen, um ein Verrutschen des Schienbeinschoners beim Fußballspielen zu verhindern. Dabei kommt der PANTHERGRIP ganz ohne Klettband oder ähnliche Befestigungsmittel aus. Hierbei wird bessere Bewegungsfreiheit gewährleistet. Für den PANTHERGRIP wurde eine Europäische Patentanmeldung eingereicht. Diese soll als Beispiel dienen, um zu zeigen, wie Merkmale eines Anspruchs im Hinblick auf den Stand der Technik zu verstehen sind.

Im Folgenden wird erläutert, wieso eine Patentanmeldung neben dem Kern einer Erfindung auch weitere mit der Erfindung zusammenhängende strukturelle und/oder funktionale Eigenschaften beschreiben sollte, um erfolgreich eine Patenterteilung zu erzielen.

Die Patentanmeldung – (EP3669684A1)

Anspruch 1

Ursprünglich wurde versucht, den PANTHERGRIP als eine Körperschutzvorrichtung zu schützen. Anspruch 1 definiert folgende Merkmale M1-M3 (vgl. Bezugszeichen aus Fig. 1 darunter):

M1: Körperschutzvorrichtung für Sportler, insbesondere Schienbeinschützer, wobei die vom Körper abgewandte Seite der Körperschutzvorrichtung zumindest teilweise eine Oberfläche (11) aufweist, welche eine Vielzahl an Vorsprüngen (13) enthält, die in ihrer Größe darauf abgestimmt sind, in ein Textil, insbesondere in Zwischenräume zwischen Garnen (14) oder in Maschen des Textils von üblicherweise über der Körperschutzvorrichtung getragenen Bekleidungsstücken einzudringen, dadurch gekennzeichnet, dass

M2: die Vorsprünge (13) Mantel- oder Seitenflächen aufweisen, welche zumindest teilweise annähernd rechtwinklig zur umliegenden Oberfläche (11) ausgerichtet sind und dass

M3: die Vorsprünge (13, 23) eine Breite oder einen Durchmesser von 0,02 bis 0,8mm, bevorzugt 0,1 bis 0,4mm aufweisen, wobei die Größe der Vorsprünge (13, 23) einer Körnungsgröße mit den Werten von 1300 - 30, bevorzugt 250 - 60 entspricht.

Grundlegendes Verständnis von
Anspruch 1 in anderen Worten

M1: Die Noppen (13) greifen in den Stutzen (14).

M2: Die Noppen (13) stehen von der Oberfläche (11) ab.

M3: Die Abmessung der Noppen (13) können sehr klein (0,02mm) bis sehr groß (0,8mm) sein.

Recherchenbericht

Im Recherchenbericht zitiert der Prüfer das Dokument D1 (GB 2 551 190 A) als neuheitsschädlich für den Inhalt des Anspruchs 1.

Zu M1:
D1 beinhaltet keine Figuren, beschreibt aber ebenfalls, wie die Erfindung, einen Schienbeinschoner (vgl. Anspruch 34 in D1), der ebenfalls keine Befestigungsmittel verwendet und eine raue Oberfläche bietet, die durch entsprechende Holzpartikel gebildet ist und so reibschlüssig in die Socken des Benutzers eingreifen kann. Somit ist zumindest das Merkmal M1 in D1 offenbart (vgl. S. 21, Z. 7-10 in D1).

Zu M2:
Die Größe und Form der Holzpartikel in D1 können regelmäßig oder unregelmäßig sein. In D1 wird nicht explizit beschrieben, dass die Holzpartikel von der umliegenden Oberfläche „rechtwinklig" abstehen. Aber es ist davon auszugehen, dass zumindest einer der Holzpartikel aufgrund der unregelmäßigen Anordnung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch senkrecht zur Oberfläche ausgerichtet ist. Somit offenbart D1 zwar nicht explizit das Merkmal M2, aber nimmt dieses implizit vorweg (vgl. letzter Absatz auf S. 7 in D1).

Info: Mangelnde Neuheit kann sich entweder explizit aus einer Ausführungsform im Stand der Technik ergeben, indem dort alle Merkmale eindeutig beschrieben sind. Mangelnde Neuheit kann sich jedoch auchimplizit daraus ergeben, dass ein Fachmann bei Ausführung dessen, was sich aus dieser Ausführungsform im Stand der Technik ergibt, zwangsläufig zu einem Ergebnis gelangt, das unter den zu beurteilenden Patentanspruch fällt, wie im vorliegenden Fall bezüglich des Merkmals M2.

Zu M3:
Im Mittel beträgt eine Abmessung der Holzpartikel in D1 mehr als 0,02mm, vorteilhafterweise mehr als 0,1 mm, 0,4 mm oder 0,5 mm, beispielsweise mehr als 0,6 mm. Da diese Werte aus D1 in dem Wertebereich des Merkmals M3 liegen, offenbart D1 ebenfalls das Merkmal M3 (vgl. letzter Absatz auf S. 7 in D1)

Info: Das Spezielle nimmt das Allgemeine vorweg. Das Allgemeine kann somit gegenüber dem Speziellen nicht neu sein. Beispielsweise kann in Bezug auf Merkmal M1 die allgemeine Bezeichnung „Vorsprünge" nicht neu sein gegenüber „Holzpartikel". In Bezug auf Merkmal M3 kann der (allgemeine) Wertebereich „0,02mm bis 0,8mm" nicht neu sein gegenüber dem Einzelwert „0,1mm" aus D1, da dieser (spezielle) Wert innerhalb des (allgemeinen) Wertebereichs liegt.

Somit ist Anspruch 1 nicht neu gegenüber D1.

RÜCKFALLPOSITIONEN

Rückfallpositionen – a priori

Wenn der Kern der Erfindung durch den zumeist vorher dem Anmelder unbekannten Stand der Technik, wie im Falle des PANTHERGRIP, vorweggenommen ist, sollte der Anmelder in der Patentanmeldung, sei es in den Ansprüchen oder der Beschreibung, geeignete Rückfallpositionen beschrieben haben, um sich im Prüfungsverfahren gezielt von dem neuheitsschädlichen Stand der Technik abgrenzen zu können.

Info: Neuformulierungen, die erst im Prüfungsverfahren eingeführt werden und nicht ursprungsoffenbart sind, werden in den meisten Fällen und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zugelassen.

Als Folge für den Anmelder ergibt sich, dass für den Erfindungsgegenstand jedes mögliche Unterscheidungsmerkmal im Vorhinein in der Patentanmeldung definiert werden sollte.

Rückfallpositionen – a posteriori

Im vorliegenden Fall sollte bei der Abgrenzung der Erfindung vom Stand der Technik die Konzentration auf dem Spezifizieren der Merkmale M1 und/oder M2 liegen. Denn die grundständige Idee von PANTHERGRIP basiert auf der gezielten Ausrichtung der Noppen von der Oberfläche weg und der Anordnung der Noppen entlang der (Gesamt-)Oberfläche, um einen passenden Halt des Stutzens zu erzielen. Wohingegen in D1 eine willkürliche Anordnung von Holzpartikeln eine reibschlussfähige Verbindung zum Stutzen vorsieht, die möglicherweise vereinzelt einen Formschluss aufweist.

Der Anmelder hat beispielweise folgendes Unterscheidungsmerkmal in den Anmeldungsunterlagen beschrieben, das für eine effektive Abgrenzung von D1 sorgen würde:

„wobei die Vorsprünge [...] durch ein Spritzgießverfahren direkt eingebracht sind"

Da in D1 Holzpartikel beschrieben sind, können durch ein Spritzgießverfahren hergestellte Vorsprünge unmöglich von D1 vorweggenommen werden. Für eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1 als nächstliegender Stand der Technik spricht, dass der Fachmann, zur Verwirklichung der spritzgegossenen Vorsprünge, von dem Grundgedanken aus D1 abweichen müsste, nämlich die Verwendung der reibungserhöhenden Holzpartikel. Ein solches abweichendes Vorgehen würde der Fachmann allerdings stets vermeiden.

Fazit

Beim Ausarbeiten der Patentanmeldung sollte im Vorhinein eine Vielzahl an Rückfallpositionen a priori bereitgestellt werden, um im Prüfungsverfahren auf möglichen Stand der Technik vorbereitet zu sein. Hierfür sollten möglichst viele Rückfallpositionen a posteriori von den Rückfallpositionen a priori übrigbleiben, um sich bestmöglich von dem zitierten Stand der Technik abgrenzen zu können. Im Fallbeispiel PANTHERGRIP wurde ein Beispielmerkmal aufgezeigt, das das Produkt PANTHERGRIP vollumfänglich widerspiegelt und mit dem sich der Anmelder effektiv vom zitierten Stand der Technik abgrenzen kann.

Um eine solch positive Ausgangssituation zu ermöglichen, ist ein gezielter Dialog zwischen einem erfahrenen Patentanwalt und dem Erfinder im Vorhinein zur Aufbereitung der Anmeldungsunterlagen unerlässlich. Hierbei können wesentliche Produktdetails besprochen und analysiert werden, um nicht wichtige Informationen a priori in der Patentanmeldung zu vernachlässigen, die a posteriori wichtig werden können.

Disclaimer: Der vorstehende Beitrag spiegelt die persönliche Auffassung des Autors wider. Die im Beitrag vorgenommen Einschätzungen und Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar und werden unter Ausschluss jeglicher Haftung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie eine patentrechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, so wenden Sie sich gerne an den Autor und/oder die Kanzlei KUHNEN & WACKER.

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