Flasher – Mehr Sicherheit durch All-in-One Hightech-Wearables mit gestengesteuerten Blinkern
21.09.2022
Die Höhle der Patente
In Staffel 12, Folge 4, der TV-Show „Die Höhle der Löwen" präsentiert ein Startup aus Graz „Blinker-Armbänder" namens Flasher. Die beleuchteten Flasher werden jeweils an den Oberarmen festgemacht und über Gestensteuerung bedient. So sollen sie die Sicherheit und Sichtbarkeit von Fahrradfahrern, E-Scooter-Fahrern, Joggern und Spaziergängern verbessern. Zum Beispiel blinken die Bänder bei einer Armbewegung und geben so einen Abbiegehinweis aus. Dafür müssen die Hände nicht vom Lenker genommen werden, wodurch mehr Kontrolle und damit Sicherheit für den Träger gewährleistet werden kann.
Für die Flasher wurde neben einem bereits erteilten österreichischen Patent auch eine Internationale Patentanmeldung eingereicht, zu der, zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des vorliegenden Textes, lediglich ein Internationaler Recherchenbericht erstellt wurde. Anhand der Flasher soll ein Weg aufgezeigt werden, wie eine effektive Abgrenzung zum Stand der Technik aussehen kann, obwohl diese von der Recherchenbehörde als nicht erfinderisch erachtet wird.
Anmerkung: In den meisten Fällen ist dem Anmelder der gesamte relevante Stand der Technik nicht vor dem Erhalt eines Rechercheberichts bekannt. Deshalb verfolgen viele Anmelder die Strategie, in einer ersten Recherche eines nationalen Amtes innerhalb des Prioritätsjahres eine Meinung oder eine Übersicht über möglicherweise entgegenstehenden Stand der Technik zu erhalten, um auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob sich die relativ hohen Kosten für Patentnachanmeldungen basierend auf der Prioritätsanmeldung in weiteren Regionen/Ländern lohnen.
Die Internationale Patentanmeldung –
WO2022082248A1 (WO'48)
Schutzgegenstand
Ursprünglich wurde versucht, die Flasher mit einem auf eine Signalisierungsvorrichtung gerichteten unabhängigen Anspruch 1 zu schützen (vgl. Bezugszeichen in Klammern aus den dargestellten Fig. 1 und 3 der WO'48).
Anspruch 1 der WO'48 definiert folgende Merkmale:
M1: Signalisierungsvorrichtung (10) für die Erzeugung eines Lichtsignals beim Fahren eines Fahrzeugs, aufweisend
M2: einen Befestigungsabschnitt (20) für eine reversible Befestigung an einem Oberarm eines Fahrers des Fahrzeugs und
M3: ein Signalisierungselement (30) mit einer Vielzahl von Signalisierungsmitteln (32) zur Erzeugung des Lichtsignals, weiter aufweisend
M4: ein Kontrollmodul (40) zur Kontrolle des Signalisierungselements (30) mit wenigstens einem Sensorelement (50) zur Erfassung von Gesten des Oberarms des Fahrers,
M5: wobei das Kontrollmodul (40) weiter ein Unterscheidungselement (60) aufweist für eine Unterscheidung der erkannten Gesten des Oberarms des Fahrers von Fahrbewegungen des Fahrers beim Fahren des Fahrzeugs.
Stand der Technik
Im Recherchenbericht werden insbesondere die Dokumente D1 (US 2018/304800 A1) und D2 (US 2015/366275 A1) als relevant für die Ansprüche der WO'48 zitiert. Hierbei sieht die Recherchenbehörde den Anspruch 1 der WO'48 als nicht neu gegenüber D1 an.
Fig. 1 – Zeichnung aus WO2022082248A1
Fig. 3 – Zeichnung aus WO2022082248A1
Anspruch 1 – Mangelnde Neuheit gegenüber D1
(US 2018/304800 A1)
D1 offenbart (vgl. Fig. 2 und 4 aus D1) eine Fahrradjacke 10 (vgl. Absatz [0002] in D1; siehe M1). Es ist selbstverständlich, dass die Fahrradjacke 10 für einen Fahrradfahrer zum Aus- und Anziehen gedacht ist (siehe M2). Anzeigelichter 18a und 18b sind an jeweiligen distalen Enden der Ärmel 14a und 14b angebracht (siehe M3). Ein Controller 34 ist operativ mit den Anzeigelichtern 18a und 18b und den Beschleunigungsmessern 32a und 32b verbunden, und bestimmt, wann das passende Anzeigelicht 18a/18b aktiviert werden soll (vgl. Absätze [0079] und [0080] in D1; siehe M4). Ferner hat die Fahrradjacke 10 einen Beschleunigungsmesser 32 c, der beispielsweise zum Abgleich mit den Beschleunigungsmessern 32a und 32b verwendet werden kann, um gemeinsame Bewegungen der Beschleunigungsmesser 32a, 32b und 32c herauszufiltern (vgl. Absätze [0024] und [0089] in D1; siehe M5).
Die Fahrradjacke 10 aus D1 weist somit alle Merkmale M1 bis M5 aus Anspruch 1 der WO'48 auf.
Anspruch 1 der WO'48 ist somit nicht neu gegenüber D1.
Fig. 2 – Zeichnung aus US 2018/304800 A1|
Fig. 4 – Zeichnung aus US 2018/304800 A1
Effektive Abgrenzung gegenüber
dem Stand der Technik
Im Folgenden wird eine Möglichkeit angegeben, wie eine effektive Abgrenzung vom Stand der Technik unserer Meinung nach erreicht werden könnte.
So könnte eine Kombination der Ansprüche 1 und 2 der WO'48 eine sinnvolle Abgrenzung von D1 ergeben. Anspruch 2 der WO'48 definiert, dass „der Befestigungsabschnitt (20) wenigstens abschnittsweise als federnde Schnappbefestigung ausgebildet ist".
In D1 ist der Befestigungsabschnitt mit einem der Ärmel 14a bzw. 14b assoziiert.
Ausgehend von D1 als nächstliegender Stand der Technik macht weder eine Schnappvorrichtung als Weiterentwicklung der Ärmel 14a/14b Sinn, noch, dass diese in irgendeiner Weise federnd ausgebildet sind, da dies gegen den grundsätzlichen Tragekomfort einer solchen Fahrradjacke 10 aus D1 sprechen würde.
Grundsätzlich scheint eine derartige Weiterentwicklung (Anspruch 2 der WO'48) von einem solch gearteten nächstliegenden Stand der Technik Dokument (D1) also eher weg zu führen und somit für eine erfinderische Tätigkeit derselben zu sprechen.
Bezüglich Anspruch 2 der WO'48 wurde in dem Recherchenbericht auf D2 verwiesen.
Anmerkung: Ein Dokument kann zwar als relevant für den Inhalt eines Anspruchs zitiert werden. Dies stellt allerdings lediglich die Ansicht der Recherchenbehörde dar und kann häufig im Zuge einer Analyse auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit widerlegt werden.
D2 bezieht sich ebenfalls auf Signalisierungsvorrichtungen 11 für Fahrradfahrer, und hat Befestigungsmittel 15 und 16, die zum Beispiel als Haken und Öse, Klettverschluss oder Knöpfe ausgebildet sein können (vgl. Absatz [0033] aus D2, sowie Fig. 1A aus D2 wie unten abgebildet). Der verstellbare Gurt 12 kann aus Leder, Nylon, Kunststoff oder anderen geeigneten Materialien bestehen.
Der verstellbare Gurt ist somit weder als Schnappvorrichtung ausgebildet, noch weisen die verwendeten Materialen des verstellbaren Gurtes 12 eine federnde Eigenschaft auf, wie es gemäß dem Wortlaut aus Anspruch 2 der WO'48 definiert ist.
Folglich fehlt dem Fachmann abgesehen von einer Motivation zur Kombination mit D2, auch die notwendige Lehre in D2, um in naheliegender Weise zu dem Wortlaut von Anspruch 2 der WO'48 zu gelangen.
Somit wäre eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 der WO'48 nicht nur neu, sondern wahrscheinlich auch erfinderisch gegenüber dem im Recherchenbericht zitierten Stand der Technik.
Anmerkung: Die oben aufgezeigte Vorgehensweise ist nur eine von vielen Möglichkeiten zur Abgrenzung von dem zitierten Stand der Technik. Aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ergeben sich noch weitere Abgrenzungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel in Bezug auf die Lademöglichkeit, die Verwendung von Schaltern oder die Auswertung der Bewegungen an sich.
Fig. 1A – Zeichnung aus US 2015/366275 A1
Fazit
Es wurde gezeigt, wie mittels eines vermeintlich nicht erfinderischen Merkmals eine effektive Abgrenzung des Gegenstands nach Anspruch 1 vom zitierten Stand der Technik erreicht werden könnte.
Speziell sollte gezeigt werden, dass ein negativer Bescheid zur erfinderischen Tätigkeit eines Merkmals nichts über die objektive Bewertung des Merkmals bzw. der Gesamtheit an Merkmalen eines Anspruchs aussagt, sondern lediglich die Ansicht des Prüfers (im vorliegenden Fall die Recherchenbehörde) wiedergibt. Sehr häufig zeigt sich, dass mit Hilfe argumentativer Werkzeuge, wie dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz, aufgezeigt werden kann, dass ein solches Merkmal in Wahrheit zu einer erfinderischen Tätigkeit beiträgt, wenngleich dieses Merkmal in einer ersten Analyse durch den Prüfer als selbstverständlich wahrgenommen wurde. Diese Analyse stellt eine der Kernkompetenzen von den Patentanwälten bei KUHNEN & WACKER dar, um am Ende den für unsere Mandanten bestmöglichen Schutz zu erzielen.
Disclaimer: Der vorstehende Beitrag spiegelt die persönliche Auffassung des Autors wider. Die im Beitrag vorgenommen Einschätzungen und Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar und werden unter Ausschluss jeglicher Haftung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie eine patentrechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, so wenden Sie sich gerne an den Autor und/oder die Kanzlei KUHNEN & WACKER.
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