Hackboe – Die Motorhacke
23.11.2022
Die Höhle der Patente
In Staffel 10, Folge 6, der TV-Show „Die Höhle der Löwen" präsentiert ein Unternehmen aus Coesfeld eine einem Freischneider ähnelnde Motorhacke namens „Hackboe". Das Besondere an der Hackboe ist ein Reduktionsgetriebe, das die Drehzahl von ca. 7500 U/min auf ca. 500 U/min reduzieren kann. Dadurch wird der Einsatz von vielen verschiedenen Aufsätzen ermöglicht, die ansonsten aus rechtlichen Gründen nicht montiert werden dürften. Die Hackboe bietet den weiteren Vorteil, dass ein Nutzer rückenschonend aufrecht stehen kann.
Für die Hackboe hat der Erfinder selbst ein Gebrauchsmuster geschrieben und eingereicht. An diesem Beispiel soll aufgezeigt werden, warum die Unterstützung eines Patentanwalts für diese Tätigkeit unabdingbar ist, um die Erfolgsaussichten auf ausreichenden gewerblichen Schutz zu verbessern.
Verfassen einer Patent-/
Gebrauchsmusteranmeldung
Ein Einzelerfinder oder eine Firma ist rechtlich nicht dazu verpflichtet, einen Patentanwalt zum Ausarbeiten einer Patent-/Gebrauchsmusteranmeldung zu bestellen, sondern kann diese selbst ausarbeiten und beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) einreichen.
Info: Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) bietet auf seiner Homepage Tipps für Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen an, die einem Laien vermitteln sollen, wie eine solche Anmeldung geschrieben wird.
Das Gebrauchsmuster
(DE 20 2013 004 017 U1)
Anscheinend hat sich der Erfinder der Hackboe dieser Informationen bedient und damit versucht, ein Gebrauchsmuster auszuarbeiten, mit dem die Idee der Hackboe geschützt wird. Das Gebrauchsmuster enthält lediglich eine Seite mit Beschreibung und einen einzigen Schutzanspruch, sowie eine hiernach abgebildete Figur.
Schutzanspruch – Analyse
Der Schutzanspruch eines Gebrauchsmusters legt dessen Schutzbereich fest. Der in dem Gebrauchsmuster definierte Schutzanspruch liest sich aus den Augen eines patentrechtlichen Fachmanns ungewöhnlich und enthält zahlreiche Mängel, die nachfolgend kurz erläutert werden.
Mehr-Satz Anspruch
Der Schutzanspruch ist in mehrere Sätze unterteilt.
Info: Es ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass Ein-Satz Ansprüche in Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen verwendet werden müssen, allerdings werden solche Mehr-Satz Ansprüche bei einer Prüfung derselben durch das Patentamt regelmäßig als unklar beanstandet.
Merkmalsgliederung
Der Schutzanspruch des Gebrauchsmusters kann in folgende Merkmale gegliedert werden:
M1) Das Anbauteil für Freischneider ist ein eigenständiges Gehäuse (Pos. 10) in Verbindung mit einer Hackscheibe (Pos. 5) und einem Schutzring (Pos. 4),
M2) dadurch gekennzeichnet, dass es von unten auf dem Baum des Freischneider aufgeschoben wird und mit der Klemmschraube (Pos. 1) befestigt wird.
M3) In dem Gehäuse (Pos. 10) befinden sich zwei unterschiedlich große Zahnräder (Pos. 3 und 7) auf je einer Antriebswelle (Pos. 2 und 8), die kugelgelagert (Pos. 9 und 11) sind,
M4) dadurch gekennzeichnet, dass so die starke Drehzahlreduzierung zur Bodenbearbeitung gewährleistet ist.
M5) Die Hackscheibe (Pos. 5) wird einfach auf die Aufnahme (Pos. 6) aufgesetzt,
M6) dadurch gekennzeichnet, dass sie mit einer linksdrehenden Schraube befestigt wird.
Mangelnde Klarheit und fehlender Zusammenhang der Merkmale
M1 beschreibt ein Anbauteil, das ein eigenständiges Gehäuse ist. Hierbei ist unklar, ob das Anbauteil eingehaust ist oder das Anbauteil selbst das Gehäuse bildet. Ferner ist der Schutzring ein überflüssiges Merkmal, denn ihm kommt keine entscheidende technische Aufgabe zu, jedoch schränkt es den Schutzumfang ein und macht es Dritten damit leicht, den Schutzbereich des Gebrauchsmusters zu umgehen.
Anmerkung: Unklarheiten im Anspruch können dazu führen, dass mit diesen behaftete Merkmale bei einer Beurteilung auf Neuheit bzw. erfinderische Höhe unberücksichtigt bleiben bzw. mit dem breitesten Verständnis davon ausgelegt werden und damit den Rechtsbestand des Gebrauchsmusters gefährden. Auf der anderen Seite können Unklarheiten den Schutzbereich unnötig einschränken, was zu verringerten Erfolgsaussichten in einem Verletzungsverfahren führen könnte.
M2 beschreibt die Merkmale im Sinne eines Verfahrens (vgl. „aufgeschoben wird" und „befestigt wird") und nicht im Sinne einer Vorrichtung, und weitere nicht dem Anbauteil zugehörige Elemente. Auch der relative Begriff „unten" ist vage, da beim Drehen des Anbauteils das Aufschieben von oben erfolgt.
M3 beschreibt, dass sich in dem Gehäuse Zahnräder auf jeweiligen Antriebswellen befinden. Es ist unklar, ob die Zahnräder Teil des Anbauteils oder Teil des Gehäuses selbst sind, und ob die Zahnräder mit den Antriebswellen zusammenwirken bzw. ob die Zahnräder oder die Antriebswellen kugelgelagert sind.
M4 definiert die Erfindung durch den zu erzielenden Erfolg und nicht durch die technischen Mittel, die diesen Erfolg bewirken. Der Ausdruck „stark" gilt generell als unklarer Begriff. Ab welcher Drehzahlregulierung diese als stark einzustufen ist, kann dem Gebrauchsmuster nicht eindeutig entnommen werden.
M5 ist wiederum als Verfahren beschrieben (siehe „wird [...] aufgesetzt"). Hierbei ist außerdem unklar, um welche Aufnahme es sich handelt, da diese nicht zuvor eingeführt wurde.
M6 ist abermals als Verfahren beschrieben (siehe „befestigt wird"). Außerdem ist die Einschränkung auf „linksdrehende" Schrauben überflüssig und schränkt den Schutzbereich unnötig ein.
Die Konsequenz solcher Mängel sollte vom Erfinder nicht unterschätzt werden. Sie sind später nicht ohne Weiteres zu beheben und gehen im Falle einer Behebung meist mit starken Schutzrechtseinschränkungen einher. Dem Erfinder können eben diese Nachlässigkeiten beispielsweise in einer Funding-Runde auf die Füße fallen, wenn Investoren von dem Produkt an sich überzeugt sind oder Wettbewerber vom Markt abgehalten werden sollen, aber nach kurzer Analyse erkennbar ist, dass kein ausreichender Schutz für das Produkt besteht und auch – aufgrund der Veröffentlichung des Gebrauchsmusters – nur noch schwer im ursprünglichen Sinne zu erreichen ist (Stichwort: Vorveröffentlichung).
Mängelfreier Anspruch
Ein mängelfreier Anspruch könnte wie folgt lauten:
1. Anbauteil zum Aufschieben und Zusammenwirken mit einem Baum eines Freischneiders, wobei das Anbauteil eine Aufnahme (Pos. 6) für eine Hackscheibe (Pos. 5) aufweist, und wobei das Anbauteil ein antriebsseitiges Zahnrad (Pos. 3) und ein abtriebsseitiges Zahnrad (Pos. 7) aufweist, wobei das antriebsseitige und abtriebsseitige Zahnrad miteinander in Wirkbeziehung stehen und ausgebildet sind, eine vorbestimmte Übersetzung von einem motorbetriebenen Antrieb auf die Hackscheibe zu bewirken.
Hierbei sei erwähnt, dass der hier vorgeschlagene Anspruch lediglich eine von vielen Möglichkeiten ist, wie ein Anspruch besser gestaltet werden könnte.
Weitere Spezifikationen zum Beispiel in Bezug auf die Antriebswelle, die Abtriebswelle, deren Ausrichtung zueinander, sowie die Lagerung und Anbringung bzw. Anordnung der Elemente zueinander oder die Definition des Schutzringes könnten in Unteransprüchen definiert werden. Für das Anbauteil bleibt zum Beispiel in der Beschreibung viel Freiraum, um weitere Definitionen und Erläuterungen zu beschreiben. Für einen möglichen Rechtsstreit können hierdurch angemessene Rückfallpositionen vorausschauend in die Anmeldung integriert werden.
Grundlage für einen passend formulierten Anspruch ist grundsätzlich ein ausführliches Beratungsgespräch von Erfinder und Patentanwalt. Dies gilt umso mehr, da es nicht ohne Weiteres möglich ist, die Patent-/Gebrauchsmusteranmeldung im Nachhinein abzuändern. Insbesondere sind nach der Einreichung der Anmeldung alle Änderungen ausgeschlossen, die der Fachmann den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht entnehmen kann.
Bei unzureichend formulierten Schutzrechtsanmeldungen besteht daher die Gefahr, dass sie nicht rechtsbeständig sind und/oder der Schutzbereich unnötig eingeschränkt ist.
Fazit
Es zeigt sich, dass eine Patent-/Gebrauchsmusteranmeldung nicht einfach ohne entsprechende fachliche Ausbildung und ausreichende Erfahrung im Gebrauchsmuster- und Patentgesetz ausformuliert werden kann.
Vielmehr wird ein Patentanwalt benötigt, der im ausführlichen Diskurs mit dem Erfinder den Kern der zugrundeliegenden technischen Idee ermittelt und entsprechend durch Abstraktion des Prototyps einen möglichst breiten Schutz formuliert. Auch wenn es sich bei der zugrundeliegenden Idee hinter der Hackboe um eine clevere Erfindung handeln mag, hat sich erneut gezeigt, dass der erfolgreiche Schutz einer technischen Idee durch ein Gebrauchsmuster oder ein Patent in der Regel eine rechtliche Beratung durch einen Patentanwalt voraussetzt (getreu dem Motto „Guter Rat ist teuer, schlechter Rat ist noch teurer").
Disclaimer: Der vorstehende Beitrag spiegelt die persönliche Auffassung des Autors wider. Die im Beitrag vorgenommen Einschätzungen und Ausführungen stellen keine Rechtsberatung dar und werden unter Ausschluss jeglicher Haftung zur Verfügung gestellt. Wenn Sie eine patentrechtliche Prüfung Ihres Einzelfalls benötigen, so wenden Sie sich gerne an den Autor und/oder die Kanzlei KUHNEN & WACKER.
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